Berufsfachschule

KVdigital, viel mehr als ein virtuelles Klassenzimmer

Seit dem Sommer 2023 wird an der HKV Aarau nicht mehr mit Powerpoint unterrichtet. Die schuleigene Plattform KVdigital hat das Microsoft-Produkt abgelöst es ist aber kein Ersatz, sondern eine umfangreiche Erweiterung zum interaktiven, kollaborativen Klassenzimmer. Doch wieso entwickelt eine Schule im Aargau ein eigenes Learning-Management-System? Gibt es keine fixfertige Lösung am Markt? Und was haben die Lernenden, die Lehrer und die Schule von KVdigital?

In Kürze: 

  • KVdigital ist mehr als ein interaktives Learning-Management-System 
  • Die Umsetzung der Reform im Sinne des Erfinders braucht eine veränderte Schulkultur, weg vom Fachdenken hin zu fachübergreifenden Kompetenzen 
  • Es ist ein hohes Mass an Koordination und interdisziplinärer Zusammenarbeit nötig - dazu fehlten am Markt die Tools 
  • KVdigital integriert zudem interaktive Elemente und im Hintergrund ist kollaborative Erstellung und Überarbeitung möglich 
  • Die Lehrpersonen profitieren voneinander und bauen auf der Vorarbeit der anderen auf 
  • Alle erarbeiteten Module können individuell angepasst und die Anpassungen den anderen wieder zur Verfügung gestellt werden 
  • Volle Transparenz für die Lernenden, was an Stoff kam und noch kommt 
  • Alle Inhalte können von den Lernenden mit Kommentaren versehen und wichtige Inhalte in MyKnowledge gespeichert und geteilt werden 
  • Digitale Lehrmittel können direkt in den Lernpfad integriert werden 

 

Die KV-Reform stand am Anfang 

Mit Handlungskompetenzen statt Fächern hat im Sommer 2023 ein radikaler Umbruch der kaufmännischen Lehre stattgefunden. Ziel der grössten Reform im KV seit zwei Jahrzehnten ist es, dass Lernende dank fachübergreifenden Kompetenzen besser auf die Berufswelt vorbereitet sind. Statt Deutsch, Recht und Informatik lernen sie zum Beispiel, wie sie eine Geschäftsmail korrekt schreiben (dafür ist Deutsch weiterhin nötig), das Mail und die Anhänge sauber formatieren (dafür ist Informatik weiterhin nötig) und welche rechtlichen Konsequenzen es haben kann, wenn diese wichtige E-Mail zu spät beim Empfänger ankommt (dafür ist weiterhin Recht nötig). Natürlich endet die Reform damit nicht, sie ist aber nicht Bestandteil dieses Artikels. 

 

Die radikal veränderte kaufmännische Ausbildung unterscheidet sich jedoch in einem wichtigen Bereich von anderen, handwerklichen Berufsausbildungen, welche auch handlungskompetenzorientiert sind. Während z.B. Köche in einer Pizzeria im Berufskundeunterricht an der Schule auch lernen, Joghurt zu produzieren oder Schnitzel zuzubereiten, geht diese Form von Berufskundeunterricht für KV-Lernende schlecht. Der Bankangestellte kann zwar auch etwas über Versicherungen lernen, dies bleibt jedoch theoretisch. Damit trotzdem handlungskompetenzorientierter Unterricht möglich ist, braucht es deshalb eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Fachlehrpersonen, welche ein hohes Mass an Koordination erfordert. 

 

Lösungen am Markt waren ungenügend 

Dazu fehlten auf dem Markt schlicht und einfach die Tools, die sich für eine Schule eignen. Teams ist eine Kommunikationsplattform mit kollektiver Datenablage und wird als solche auch weiterhin genutzt, nachdem sie in der Pandemie eingeführt wurde. Auf diesem Stand stehen zu bleiben, wäre aber eine verpasste Chance. OneNote folgt der alten Idee von Ordnern und eignet sich beschränkt zur Kollaboration. Wird etwas gelöscht, ist es weg. Und Moodle, ein bekanntes Learning-Mangement-System, lässt zwar entweder eine thematische oder eine zeitliche Gliederungen zu, aber nicht beides gleichzeitig. Auch andere Lösungen am Markt haben alle nicht endlos überzeugt. 

 

Dieser Mangel führte dazu, dass im Januar 2021 der Startschuss zu KVdigital fiel. In einem zweijährigen Prozess wurde auf Basis einer Online-Präsentations-Software namens Timeline ein Tool entwickelt, welches nicht nur die Darstellung von Inhalten ermöglicht, wie z.B. Powerpoint, sondern auch interaktive Elemente direkt integriert und im Hintergrund kollaborative Erstellung und Überarbeitung ermöglicht. 

 

Neue Schulkultur als Ziel 

Das Tool war dabei mehr Mittel zum Zweck, um aus Lehrpersonen, welche sich Einzelarbeit und Fachdenken gewohnt waren, Lehrpersonen zu machen, welche über Fachgrenzen hinweg zusammenarbeiten. Das Tool half und hilft also dabei, eine neue Schulkultur zu entwickeln. 

 

Dabei liegen die Vorteile für die Lehrpersonen auf der Hand. Statt dass jeder und jede die neuen Inhalte selber entwickelt, profitiert man von der Vorarbeit anderer und tauscht die erstellten Inhalte untereinander aus, wie dies in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen ganz normal ist. Das entlastet in der Vorbereitung. Da die Vorbereitung handlungskompetenzorientierter Unterrichtseinheiten und Prüfungen einiges mehr Zeit in Anspruch nimmt als vorher, ist es im besten Fall ein Nullsummenspiel. In Zukunft kann diese gewonnene Zeit dann für die zusätzliche Individualisierung des Unterrichts verwendet werden. 

 

Diese Module sowie jede gemachte Verbesserung an bestehenden Inhalten kann ebenso wieder allen zur Verfügung gestellt werden. Damit findet in KVdigital konstant ein Verbesserungsprozess und Austausch von Ideen statt - und das über Fachgrenzen hinweg, weil die Lehrpersonen jederzeit sehen können, was Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachrichtungen mit den Lernenden durchgenommen haben oder noch durchnehmen werden. Eine Studie von Hattie zeigte zudem: Lernende haben einen höheren Lernerfolg, wenn Lehrpersonen untereinander kollaborieren.  

 

Gleichzeitig bleibt den Lehrpersonen die Lehrfreiheit. Sie können trotzdem noch Arbeitsblätter verteilen oder Inhalte gemeinsam mit den Lernenden am Visualizer oder der Wandtafel erarbeiten. Diese Produkte können dann später bequem in den Lernpfad auf KVdigital integriert werden.  

 

Viele Vorteile für Lernende 

Aber nicht nur die Lehrpersonen und die Schulkultur profitieren von der Plattform, sondern auch und vor allem die Lernenden. Sie haben jederzeit alle Inhalte verfügbar. Was kam und was kommt wird für alle transparent gemacht. Sind sie krank, können Sie den verpassten Stoff problemlos nachholen, weil er, nach Datum sortiert, verfügbar ist. Sind sie verletzt und können z.B. nicht in die Schule gehen, können sie sich aus der Ferne zuschalten.  

 

Dank Notiz- und Zeichenfunktionen sind die Slides für jeden individuell bearbeitbar. Ganze Slides, einzelne Inhalte und Notizen lassen sich abspeichern und können später in einer separaten Funktion des Tools, die My-Knowledge heisst, wieder aufgerufen werden. Diese Notizen und Inhalte können die Lernenden zudem auch untereinander teilen. 

 

Ein weiterer Vorteil für die Lernenden ist, dass die immer öfter digitalisierten Lehrmittel direkt in den im KVdigital abgebildeten Lernpfad integriert werden können. Das neue KV-Lehrmittel vom SKV Verlag steht z.B. seit den Herbstferien 2023 mit allen Inhalten direkt in KVdigital zur Verfügung und kann so ohne Medienbruch von den Lehrpersonen für den Unterricht genutzt werden. Für Lernende hat dies den Vorteil, dass sie sich die Inhalte nicht aus mehreren Quellen zusammensuchen müssen. Einziger Wehrmutstropfen: Die Lizenzgebühren für die Lehrmittel werden trotzdem fällig. 

 

Interaktivität erhöht die Aktivität der Lernenden 

Zudem sind die Inhalte in KVdigital nicht rein statischer Natur, wie z.B. in PowerPoint. Es lassen sich einfach interaktive Elemente integrieren, welche die Aktivität der Lernenden fördert. So stehen z.B. Texteingabefelder, Lückentext, Zuordnungsaufgaben, Single- und Multiple-Choice sowie Polls uvm. zur Verfügung. Die Lernenden werden dort abgeholt, wo sie technisch stehen. Grundschüler lernen heute mit Apps auf Tablets. Wieso sollte damit in der Berufsausbildung Schluss sein? Natürlich gibt es andere Möglichkeiten dafür. Nur stehen die Resultate davon dann den Lernenden später nicht mehr zur Verfügung. Auf KVdigital sehen sie auch später noch, was sie richtig und was sie falsch gemacht haben. 

 

Für viele Eventualitäten gerüstet 

Und sollte es, was wir alle nicht hoffen, in Zukunft zu einer neuen Pandemie kommen, so ist das Tool auch zukunftssicher dafür gebaut. Audio und Videoübertragung sind genauso möglich wie auf Teams oder Zoom, mit dem Unterschied, dass die Lernenden alle Funktionen aus dem Präsenzunterricht im genau gleichen Tool, das sie schon kennen, verfügbar haben. So bleibt zumindest zu hoffen, dass ein Leistungseinbruch wie im Corona-Jahr sich verhindern oder mindestens reduzieren lassen kann. 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass KVdigital ein virtuelles, interaktives, individualisierbares Klassenzimmer ist, welches Kollaboration bei Schülern sowie bei Lehrpersonen ermöglicht und es letzteren vereinfacht, gemeinsam Inhalte zu erstellen, weiterzuentwickeln und zu teilen. Wer Interesse daran hat, einmal in KVdigital hineinzuschauen, dem wird das Tool gerne gezeigt. Weil schlussendlich wäre eine Kollaboration auch über Schulen hinweg absolut möglich und wünschenswert. 

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