Ab in die Selbständigkeit – ein Jahr danach
Joël, du bist jetzt seit rund einem Jahr selbständig unterwegs. Wie läuft es mit der BGTM-Group? Seid ihr zufrieden mit der Geschäftsentwicklung?
Ja es läuft gut. Wir konnten viele neue Kunden hinzugewinnen, KMUs, Startups und ein paar bekannteste Namen wie Swisscom World, Lollipop und Foodlogic sind Firmen, mit welchen wir zusammenarbeiten dürfen.
Was ist heute euer Kerngeschäft, also welche Dienstleistung erbringt ihr am meisten?
Short Form Content und Werbekampagnen, also Videos für Social Media, ist immer noch das Hauptgeschäft. Dort haben wir am meisten Anfragen und es ist ein guter Einstieg für mit den Kunden. Bei B2B-Kunden (Business to Business) ist diese Form von Content natürlich schwieriger.
Wir haben auch noch andere Services wie Webseiten, Powerpoint Präsentationen, Printmedien usw. Wichtig ist, dass wir bei all unserer Kundschaft, egal mit welchen Bedürfnissen sie kommen, erstmals eine saubere Bedarfsanalyse machen und dann ein Packet zusammenstellen, welches für dieses Bedürfnis Sinn macht.
Wie kommt ihr an eure Kundschaft? Welche Kanäle haben sich für euch bewährt?
Das hat sich stark verändert, seit wir gestartet sind. LinkedIn ist z.B. als Medium weniger wichtig, auch bin ich weniger an Networking-Events wie früher. Und Cold-Calls haben selten funktioniert.
Eigentlich sind wir bereits in der luxuriösen Situation, dass uns unsere Kundschaft weiterempfiehlt. Natürlich kann man immer noch zusätzliche Kundschaft gewinnen. Dies würde ich aber gezielter machen als früher und mir z.B. die Events fürs Netzwerken gezielter aussuchen.
Was ist eure grösste Herausforderung im Tagesgeschäft?
Wenn es gut läuft, besteht das Risiko, dass man sich auf dem Erreichten ausruhen will. Hier die Selbstdisziplin zu halten, das ist nicht immer einfach. Zudem bin ich wieder zurück nach Frick gezogen – Urdorf war nur eine temporäre Lösung für den Start. Durch die räumliche Distanz zu Nicolas hat sich die Kommunikation verändert. Da mussten wir uns anpassen, aber nun funktioniert alles sehr gut.
Das Werbe-Geschäft wird gerade von KI durchgerüttelt, wie geht ihr damit um?
Wir nutzen KI einerseits als persönliche Unterstützung, z.B. um administrative Emails zu schreiben oder zu beantworten. Wir nutzen es nur für Kunden, wenn diese es erlauben. Wir kommunizieren auch transparent, wo wir es nutzen.
Gerne würden wir eine Kampagne durch KI optimieren lassen und anschliessend testen, ob die Empfehlungen besser sind als unsere eigenen. Ich glaube, man muss mit diesem Zug mitfahren und möglichst viel ausprobieren. Geht es nicht, hat man etwas Zeit verbraucht und etwas daraus gelernt, geht es gut, kann man viel damit erreichen.
In unserem letzten Gespräch hast du gesagt, euer Tag sei klar geplant. Schlaf, Gym, Arbeit, alles hat ein Zeitfenster. Konntet ihr dem treu bleiben oder rufen die Kunden halt einfach an, wenn sie wollen?
Wir konnten das grösstenteils beibehalten, haben es aber optimiert. Früher wären wir z.B. nach einem Networking-Event bis spät in die Nacht trotzdem um 5:30 Uhr aufgestanden. Jetzt nutze ich Whoop zur Schlafaufzeichnung und folge den Empfehlungen, z.B. 7.5h zu schlafen und etwas später aufzustehen.
Zudem habe ich am Morgen auch noch ein Zeitfenster für Affirmation geplant. Es geht dabei darum, die Gedanken zu fokussieren, sich Ziele zu setzen oder sich darauf zu konzentrieren, dankbar zu sein, für das was man hat. So kann ich positiv in den Tag starten.
Was war die grösste Illusion, die du hattest bezüglich Selbständigkeit und welche Realität hat sich eingestellt?
Ich habe es mir einfacher vorgestellt, als es tatsächlich ist. Man meint, dass wenn man keinen Arbeitgeber hat, alles aus einem inneren Antrieb herauskommt. Aber das stimmt nicht immer und man muss sein eigener Arbeitgeber werden und sich selbst vorantreiben. Etwas wie Affirmation zu machen und sich ab einem gewissen Zeitpunkt wieder neue Ziele zu setzen, ist schwieriger als gedacht.
Was würdest du aktuellen Lernenden empfehlen, die auch von der Selbständigkeit träumen? Welchen Tipp hättest du gerne gehabt?
Einfach mal machen. Herausforderungen muss man auf dem Weg bereinigen und sich nicht zuerst den perfekten Weg vorbereiten. Es läuft immer anders, als man denkt.
Gibt es noch etwas, was du jungen Menschen in der Lehre auf den Weg geben möchtest?
Nicht zu viel mit Leuten über die eigenen Pläne reden, nur gezielt mit den richtigen Leuten. Die Falschen werden es schlecht reden, da sie es nicht ertragen können, wenn man weiterkommt als sie selbst.
Zweitens: Lebt im Optimismus. Glaubt daran, dass es gut kommt. Ich habe mich früher stark von Emotionen leiten lassen. Hatte ich einen neuen Kunden gewonnen, ging es mir gut, hat er dann zu spät bezahlt, ging es mir schlecht. Seit ich darauf vertraue, dass es schon gut kommt, kann ich viel ausgeglichener leben.
Das Gespräch führte Jan Bolliger, Lehrer Wirtschaft & Recht
